BSG ändert Rechtsprechung zum Fristversäumnis durch Krankenkassen

Juni 25, 2020
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Wenn eine Krankenkasse über einen Leistungsantrag nicht innerhalb kurzer Frist entscheidet, gilt dieser als genehmigt (Genehmigungsfiktion). Das Bundessozialgericht hat jetzt jedoch entschieden, dass die Genehmigungsfiktion keinen Anspruch auf beantragte Sachleistung begründet. Nun befürchten Patientenvertreter, dass dieses Urteil für Patienten Nachteile bringen wird.

Der behandelnde Arzt eines Patienten beantragte bei der Krankenkasse die Versorgung mit dem Medikament Fampyra im Off-Label-Use zur Behandlung seiner Gangstörung, die im Rahmen der zerebellaren Ataxie bei kernspintomographisch nachgewiesener Kleinhirnatrophie auftritt. Denn die Gangstörung verbesserte sich nach einem vorausgegangenen Therapieversuch mit privatärztlicher Verordnung.

Fampyra ist jedoch nur für den Einsatz bei Gangstörungen infolge Multipler Sklerose zugelassen, sodass die Krankenkasse eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) forderte und dies dem Patienten auch mitteilte. Aufgrund des Gutachtens des MDK lehnte die Krankenkasse dann die beantragte Versorgung mit Fampyra mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen eines Off-Label-Use nicht gegeben seien.

Fristversäumnis durch die Krankenkasse

Nachdem der Patient den Bescheid der Krankenkasse angefochten hatte, wurde die Krankenkasse vom Sozialgericht Speyer dazu verurteilt, den Patienten entsprechend der ärztlichen Verordnung mit Fampyra zu versorgen (S 17 KR 57). Die Berufung der Krankenkasse hatte das Landessozialgericht Rheinland-Pflanz zurückgewiesen, da die Krankenkasse den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist beschieden habe und die Krankenkasse die Versorgung mit dem Medikament aufgrund der Stellungnahme des Arztes auch subjektiv für erforderlich halten dürfen (L 5 KR 218/17).

Bundessozialgericht hebt Urteil auf

Im aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts heißt es, dass der Patient keinen Leistungsanspruch auf die Versorgung mit Fampyra aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion (Fristversäumnis) besitzt. Die Leistungsklage sei unbegründet. Zwar bestehe bei Nichteinhaltung der Frist durch die Krankenkasse ein Anspruch auf Kostenerstattung, jedoch entfalle der bisherige Anspruch auf eine Sachleistung.

Sollten dem Versicherten die finanziellen Mittel fehlen, um sich die Sachleistung zu beschaffen, so gehe auch der Kostenerstattungsanspruch durch die spätere Ablehnung der Krankenkasse verloren. Denn die Krankenkasse ist trotz Fristversäumnis weiterhin berechtigt, eine Entscheidung zum Leistungsantrag zu fällen, so die Unabhängige Patientenberatung (UPD) laut einem Medienbericht.

Schwächung der Rechtsposition der Versicherten

In dem Medienbericht heißt es weiter, dass die UPD von einer „unglücklichen Entwicklung und einer Schwäche der Rechtsposition der Versicherten“ spreche. So befürchte die UPD, dass das BSG-Urteil dazu führe, dass noch mehr Versicherte vor der Durchsetzung ihrer Ansprüche zurückschrecken würden. Außerdem sei die Durchsetzung der Ansprüche unmöglich, wenn Menschen nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um in Vorleistung zu gehen.

VdK kündigt Verfassungsbeschwerde an

In einem weiteren Medienbericht heißt es, dass die Präsidentin Verena Bentele vom VdK Sozialverband nun eine Verfassungsbeschwerde einreichen werde.

„Wir bedauern es, dass der Erste Kasseler Senat den Krankenkassen einen Blankoscheck für langsames Arbeiten ausstellt. Das Urteil benachteiligt einseitig die gesetzlich Versicherten. Für uns ist das Gleichheitsgebot verletzt. Wir werden Verfassungsbeschwerde erheben“, so Bentele vom VdK.

 

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